20090713

2 Schritte zurück

einer zur Seite, und dann wieder einen nach vorn. Oder: nicht jeder Mensch liebt Klassiker.
Vorweg mal eins, auch ich mag den Trend, das sich wieder vermehrt um Klassiker gekümmert wird, und finde es spannend, mit alten Zutaten und Rezepten zu spielen.
Aber abseits davon gibt es auch andere spannende Themen. Als wir mit Drambuie in London einen Zwischenstopp machten, und ins Trailer Happiness geführt wurden, war ich erstmals seit langem ziemlich von den Socken. Böse Zungen können jetzt sagen, das es daran liegt, das es ein HalliGalli-Drecksau Schuppen ist, wie der in dem ich auch arbeite. Aber ich fand das Tiki Thema spannend, und gleich nach der Rückkehr fing ich an mich mit dem Thema tiefer auseinanderzusetzen, und mir Lektüre zu beschaffen. Schnell war die Idee geboren, eine Spezialkarte mit Tiki Drinks zu machen.
Und schnell waren die ersten Kommentare da: "Tiki, das ist doch nix. Alberne Saftpanscherei." Das Tiki aber mehr ist als Zombie und MaiTai, und das selbst diese Kandidaten in annähernd ursprünglicher Rezeptur fantastisch schmecken, wurde gar nicht erst probiert. Seit nun einer Woche läuft unsere Tiki Karte, und Drinks wie "Suffering Bastard" und "Tora Tora" werden nicht nur wegen der witzigen Namen bestellt. Natürlich kann man nicht mehr alles so machen wie vor 50 Jahren, und wir servieren die Drinks auch in normaler Glasware, und ohne Schirmchen oder ähnlichem, aber es ist ja auch ein Testlauf.
Falernum und Pimento Dram wurden selbst angesetzt, und schmecken meiner Meinung nach ziemlich gut. Auch wenn es mit ein wenig Arbeit verbunden ist. Das Ergebnis lässt sich sehen / schmecken, und kann preislich mit den handelsüblichen Produkten sehr gut mithalten. Hier die Referenz zu Darcy O'Neill, der die Grundlage der Rezepte leiferte. Hab mir dann aber nicht nehmen lassen, sie etwas abzuwandeln bzw. zu erweitern.

Zählen Tiki Drinks nun zu den Klassikern, oder ist es zu Fancy? Zu sehr 80er Revival? Laufe ich damit gegen den Trend, und untergrab ich all die seriösen und ernsthaften Kollegen, die sich um eine hochklassige Trinkkultur bemühen? Ganz ehrlich... Ist mir ziemlich wurscht.
Wenn ich ehrlich bin, betrachte ich den momentanen Trend eh mit gemischten Gefühlen. Immer öfter denk ich mir, das einige Kollegen vergessen, das sie eine Dienstleistung betreiben, und nicht Lehrer sind. Einem Gast etwas zu empfehlen oder einem Gast zu sagen, das er eigentlich keine Ahnung hat, sind definitiv zwei Paar Schuhe. Auch ich freu mich nicht über jeden Mojito-Bon der reinflattert, und kann Caipirinhas auch nicht mehr sehen. Aber wenn es jemand trinken will. Bitteschön.
Und jetzt zum Thema "zwei Schritte zurück". Ich würde lügen wenn ich sagen würde, ich hab noch nie über andere Lokale gelächelt, oder einen unbedachten Spruch fallen gelassen. Deswegen jetzt die beiden Schritte nach hinten. Erst hinterfragen und anschauen, bevor ich mir eine Meinung bilde. Betrachten, was für ein Konzept dahinter steht, ob eine andere Zielgruppe bedient wird, und ob es nicht auch an anderen Konzepten etwas gutes, eigenes gibt. Das wäre dann der Schritt zur Seite. Und den Schritt wieder vorwärts mach ich dann, indem ich weiterhin nicht jedem Trend folgen muss. Weiterhin das mache, was mich momentan am meisten interessiert, und wenn es Tiki und Fancy ist, dann soll es das sein.

9 Kommentare:

Jens Gröning hat gesagt…

Toller Artikel. Er spricht mir aus der Seele und so freut es mich, dass ich mit einigen meiner Ansichten nicht alleine dastehe...

Torben hat gesagt…

Ich steh' auf Tiki. Bar muss auch Spaß machen!

Arnd Henning Heißen hat gesagt…

Auch wenn ich Deine Kommentare zu Michael Jackson geschmacklos fand, hast Du hier verdammt Recht. Es ist wie alles im Leben, Die Richtige Mischung macht es aus. Wenn ich nur noch old Fashioneds und Sazerac rühre habe ich auch mal wieder Lust auf nen Royal Bermuda Yacht Club oder evt auch mal ne gute Pina Colada oder Cosmo....
Die gesunde Mischung machts...

Anonym hat gesagt…

Unterschreibe ich! Der Beginn dieser Barszene war durchaus spannend und längst überfällig...irgendwann ist es dann wie eine TV Serie...es wird langweilig oder unrealistisch.Ich Liebe die alten Barklassiker, aber diese Zeiten können "wir" nur bedingt zurückholen. Damalige Mixturen waren doch sehr stark, daß Trinkverhalten eines Publikums anders.Charles Schumann sagte in einem Interview: Mehr Saft weniger Alkohol wäre der Trend. Ich denke wenn man den Markt der Lebensmittel (gesunde Ernährung etc.) betrachtet, ist das naheliegend. Ob Tiki oder nicht, ein Teil der Barkultur ist es sicher.Zu sehr 80er? Ab 2011 fragen wir uns dann ob nicht zu sehr 90er?!Wenn Euer Publikum stimmt, es Euch Freude bereitet es zu bedienen und es nicht fern bleibt, dann macht ihr doch was richtig! Ich rümpfe auch die Nase und ertappe mich bei irgendwelchen Kommentaren über die ewigen Hurricane Gläser und den Obstsalat auf obenauf, was solls? Die werden ebenso wenig verschwinden wie Jumbocaipis.

Marco hat gesagt…

Um dem ganzen kurz das Hurricane / Jumbo-Image zu nehmnen. Die Tiki Karte besteht aus:
- Suffering Bastard
- Tora Tora
- Jewel
- Jet Pilot
- Smooth Criminal
- Shark's Tooth

Reaktionen sind super.

ChristinaSchneider hat gesagt…

Also ich finde du solltest deine ablehnende Haltung in Sachen Schirmchen nochmal überdenken...

B hat gesagt…

Jet Pilot? Ich komm vorbei...aber nur, wenn mit Schirmchen.

Alexander Troppmann hat gesagt…

Schirmchen muss schon auch mal sein, ich schließe mich an ^^

don sling aloha luau hat gesagt…

als barkeeper einer tikibar, weiß ich wie schwer es ist aus den mehreren hundert tiki drinks die richtigen heraus zu sieben. jeder gute drink hat etwa fünf plagiate, da es etliche konkurenten gab, die alle ihren maitai und zombie wollten. tiki ist ein anderer entwurf an cocktail mixen heran zu gehen. es gibt mehrere dutzend drinks ala trader vic oder donn beach die an keiner bar fehlen sollten. aloha don sling